Von der kleinen Brauerei eines Benediktinerklosters zur Badischen Staatsbrauerei mit einer großen Fangemeinde: Das ist die Geschichte der Brauerei Rothaus, der höchstgelegenen Brauerei Deutschlands auf 1.000 Metern Höhe. Über 225 Jahre nach der Gründung sind die Schöpfer des mittlerweile international bekannten „Tannenzäpfles“ mit einer hochmodernen Produktion ausgestattet – damit Rothaus so nachhaltig, umweltschonend, energiesparend und gleichzeitig so wirtschaftlich wie möglich brauen kann.
Im Mittelpunkt stehen aber seit jeher ebenso traditionelle Handwerkskunst, das Rothaus-Brauverfahren mit einer kalten Gärung und einer langen Lagerung, beste regionale Rohstoffe sowie kristallklares, weiches Wasser aus sieben eigenen Quellen. Sie sind die perfekte Basis für die frischen Qualitätsbiere. Die Verbindung von Handwerkskunst und vernetzter Produktionstechnik findet durch autolinguale IT statt.
Welten zusammenbringen
Regionalität wird bei der heimatverbundenen Brauerei großgeschrieben, die seit jeher ein wichtiger Arbeitgeber für den Schwarzwald ist. Rothaus beschäftigt überwiegend Handwerker und Dienstleister aus dem “Ländle” und bezieht seine Rohstoffe ausschließlich von dort.
In den ersten Monaten dieses Jahres rollten die letzten Maschinen an, die in der neuen Halle der Sortieranlage eingesetzt werden. 4400 Quadratmeter, mehr als die Hälfte eines Fußballfeldes misst der Raum, der mit einer neuen Generation von Robotern und Anlagen zum Erkennen, Etikettieren und Verladen von Bierflaschen ausgestattet ist.
Damit das Kulturgut der einstigen Benediktiner aus dem „Rothen Haus“ nach traditionsreicher Schwarzwälder Art gebraut werden kann, braucht es heute neben der traditionellen Rezeptur eine digitalisierte Technik – bis zu 60.000 Tannenzäpfle werden mittlerweile pro Stunde allein auf einer Anlage abgefüllt. Das Brauen bleibt nichtsdestotrotz ein traditionelles Handwerk, bei dem Braumeister Proben aus jedem Lagertank selbst verkosten, ehe er für die Abfüllung freigegeben wird. Das Getränk ist daher so schmackhaft wie eh und je, aber die Technik muss mit der stark gestiegenen Nachfrage Schritt halten. Auch bei einer regionalen Brauerei mittlerer Größe, wie Rothaus sie darstellt.
Frank Kietruschat ist Netzwerk-Administrator bei Rothaus, seit 26 Jahren arbeitet er an den Schnittstellen der Produktion in der Brauerei, „mit einem Fuß Elektrotechnik, mit einem Fuß IT“ bezeichnet er seinen Stand und seine Aufgaben der technischen Koordination im Unternehmen. Er stellt in seiner Funktion selbst eine Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Berufsbildern im Haus dar.
Frank Kietruschat, Netzwerk-Administrator bei Rothaus
Die digitale Vernetzung von Anlagen wird immer durchdringender
Kietruschat weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, dass es bei Rothaus darum ging, „Welten zusammenzubringen“. Die digitale Vernetzung von Anlagen werde immer durchdringender, die früher vorherrschende Trennung von Büro-Welt und Produktion sei längst Geschichte. Maschinen aus dem Brauereibedarf sind heute allesamt darauf geeicht, dass sie Sender und Empfänger unterschiedlichster Informationen sind: Wenn es um Lagerhaltung geht beispielsweise. Wenn es um die exakte Rückverfolgbarkeit des Brauereiprodukts für den Kundenservice geht, also der unzweifelhaften Antwort auf die Frage, wann welche Flasche mit welchem Bier an welcher Maschine aus welchen Tanks befüllt wurde. Aber auch, um den Entscheidern des Unternehmens die Auswertung der Key-Indikatoren per Knopfdruck zu ermöglichen.
„Wir haben uns zu Datensammlern entwickelt“ sagt Kietruschat über die technische Möglichkeit, die sich allein in den letzten fünf Jahren am Schwarzwald-Standort aufgetan haben. Und das ist nur die interne Seite des Unternehmens.
“Kegs”, deutsch “kleine Fässer”, sind die bekannten silbernen Mehrwegfässer aus Edelstahl, meist in Größen von 30 oder 50 Litern. Warum die Roboterarme der Keg-Fassabfüllung eine IP-Adresse haben und Netzzugang, stellt den externen Aspekt dar: Zunächst sind die Anlagen, mit denen Bier gebraut, gefüllt und geladen wird, inzwischen aus dem ganzen süddeutschen Raum. Die Anforderungen an Fernwartungsmöglichkeiten auf deren Rechnern sind mit zunehmender Entfernung zum Aufstellungsort enorm gestiegen. Ebenso gestiegen ist der Grad der Automatisierung: Heute gehen das Sortieren und Reinigen von Flaschen mit der Abfüllung und der Etikettierung so Hand in Hand, dass auch die jeweiligen Maschinen untereinander kommunizieren müssen, wo sie gerade in den Abläufen stehen.
Die Keg-Fassabfüllanlage mit Roboter
Roboter versehen jedes Fass heutzutage mit Transponder-Daten, bei denen klar erkennbar ist, wie alt es ist, wo es unterwegs war und anderes. Die Greifarme selbst sind mit Wartungsmöglichkeiten ausgestattet, die den Ölstand und die Frage möglicher Ersatzteilbestellungen in die Welt senden. Denn natürlich ist es wie überall auch hier im Schwarzwald das erklärte Ziel, dass die Produktion nahezu ohne Unterbrechungen laufen kann.
Die Herausforderung für autolinguale IT lautet: Auch mit einer Mixtur an Anlagenherstellern ist heute die Arbeit eines Roboterkopfes an vier Abfüllanlagen gleichzeitig möglich. Dafür brauchte es aber auch eine sorgfältige Aufteilung der Datenströme – und viele Gespräche, bis es soweit war.
Beispielsweise mit Elektromeistern bei Rothaus, aber auch mit Vertretern der Hersteller der Brauereitechnik. Sie kamen an einem Tisch zusammen, besonders eingehend vor etwa zwei Jahren, als die neue Halle geplant wurde.
Die Premiere dieser runden Tische dürfte mehr als zehn Jahre zurück liegen, als HWI erstmals für Rothaus tätig wurde. Neue Logistik-Konzepte waren bei Rothaus bereits um 2000 an der Tagesordnung. Wie bei vielen Unternehmen, die expandieren, waren zunächst auch bei Rothaus organische Anlagen-Anbauten unterschiedlicher Couleur die Regel. Ein „Dranflanschen“ nennt Frank Kietruschat das peu-à-peu-Wachstum des Maschinenparks.
Wie aber kam Rothaus zur autolingualen IT?
Mit der Expansion der Anlagenstruktur habe fast auch ein “GAU“ gedroht, sagt Kietruschat heute. Die Zugriffe auf die Rothaus-IT seien intransparent erfolgt, vereinfacht kann man sagen, dass alles an einem Netz hing. Die Erkenntnis, dass unterschiedliche Hersteller unterschiedlicher Maschinen sich nur in einzelnen Segmenten der IT tummeln sollten, zeichnete sich aber bereits ab. In der Arbeit mit HWI, ebenfalls ein Unternehmen aus der Region, wurden die Datenwege analysiert, in Bahnen gelenkt und der “GAU” abgewendet.
Wenn es noch eines Belegs bedarf, dass diese Segmentierung dringend nötig ist, dann muss eine Anekdote herhalten, die Vertreter von HWI und Rothaus heute lachend erzählen können, weil sie letztlich folgenlos blieb – aber tatsächlich genau bei dem genannten Thema großen Schaden hätte anrichten können: Die Suche nach einem Grund für das einen Tag lang lahm gelegte Office-Netz von Rothaus führte vor wenigen Jahren in den Flaschenkeller – dort hatte der Monteur eines überregionalen Anlagenherstellers kurzerhand einen mitgebrachten eigenen Router zur Fehlerdiagnose einer Maschine installiert. Die Ursachensuche für den Absturz der IT führte letztlich dorthin, der Vorgang hätte aber auch die ganze Produktion lahm legen können, wäre er nicht rechtzeitig entdeckt worden. Das ganze Problem ist damit hinreichend umrissen: Der Monteur konnte weit mehr lahmlegen, als er selbst ahnte, weil er in ein Netz vordringen konnte, für das er keinen Zugriff hätte haben sollen. Und die Fehlersuche war genau dadurch erschwert, dass es keine trennscharfe Klarheit gab, aus welchem Anlagenbereich der versehentliche “Angriff” erfolgte.
Netzwerksegmentierung für eine klare Trennung der Anlagen
Spätestens hier wurde deutlich: Es braucht eine klare Trennung aller Anlagen, die ins Netz „sprechen“, die Lösung der autolingualen IT organisiert Zellen, die auf diese Weise segmentiert werden. Eine Beschränkung des Technikers mit dem Router auf eine Zelle, also auf seine Anlage und allenfalls deren notwendige Querverbindungen, hätte auch den möglichen Schaden eingrenzen können.
Die neue Halle versammelt 20 Anlagen in 16 Zellen, in der alten Sortier- und Abfüllhalle sind es rund 60 Anlagen, die HWI zu etwa 50 Zellen gruppiert hat. Nicht jede Anlage lässt sich nur zu einer Zelle zuordnen, wie das Beispiel Brandschutz zeigt. Grob vereinfacht gesagt: Hier sollten Fluchttüren aufgehen, wenn beispielsweise die Türen des Aufzugs vom System blockiert sein müssen.
HWI Engineer im Gespräch mit Herrn Kietruschat und Herrn Pederiva von Rothaus
Wie immer bei Konzepten der autolingualen IT geht es um die Einbettung großer industrieller Anlagen in einen zentralen Sicherheitsstandard, der in einem transparenten Prozess erarbeitet wird. „Es geht um Integration“, sagt Holger Wiedel, Gründer von HWI. Die Arbeit an den Schnittstellen sei keineswegs „IT-getrieben“, sondern gehe von den Geschäfts- und Produktionsprozessen aus.
Die Komplexität der Aufgabe hat anfangs zu einem “Rennen vor die Wand” geführt, sagt auch Simon Bührer von HWI, der Rothaus in den Prozessen der autolingualen IT betreut. Nicht bei allen Anlagenbauern sei die Begeisterung groß, wenn ihnen anfangs das Konzept und ihre Zugriffsmöglichkeiten erklärt werden. Ein “Ihr kommt hier nicht rein”, wie es Wiedel mit Blick auf die Office-IT nennt, hört zunächst keiner gern.
Nicht wenige von ihnen haben allein von der Größenordnung her eigene Vorstellungen und Vorgaben, dass sie für eine möglichst unterbrechungsfreie Produktion mit weitgehenden Rechten in den Netzen der Abnehmer unterwegs sein möchten. Am Ende sehen die meisten Hersteller allerdings, dass die Zellen-Aufteilung und -Absicherung mit eigenen Firewalls ein Mehr an Sicherheit für ihre Anlagen gewährleistet, sagt Bührer.
Vernetzung ist nie beendet
Kietruschat sagt, dass man zwar eine zwei-Drittel-Strecke zurückgelegt habe, aber sich noch wie zu Anfang fühle. “Wir werden nicht fertig”, stellt er fest. Die nächste Generation moderner Anlagen mit digitalen Zugängen erwartet er bereits in drei Jahren.
Das Thema Datenschutz ist mit Blick auf eine europaweite Vernetzung der Anlagenbauer bereits jetzt eine Herausforderung. Hier gelte es, andere Rechtsfragen und auch naturgemäß ein anderes Problembewusstsein zu koordinieren, was die Richtlinien angeht, sagt Frank Kietruschat.
Diese vermittelt die autolinguale IT inzwischen so transparent, dass auch in der Anschaffungsphase bereits mit Anlagenlieferanten von Rothaus so kommuniziert wird, dass die Standards für einen Anschluss deutlich werden.
Serverschrank im Produktionsbereich bei Rothaus
Am deutlichsten zu sehen sind sie in der Halle, wo abgefüllt wird: in Form klar gegliederter Schränke, in denen am greifbarsten ist, wie die Datenströme per autolingualer IT fließen: Kabel aller Anlagen münden hier in die zelleneigenen Firewalls, die klar gegliedert sind. Eine weitere Lösung, die HWI mit Rothaus im Prozess erarbeitet hat: Für die in Tag- und Nachtschicht tätigen Elektriker sind teilweise auch ganz mechanisch per Schlüssel zu verriegelnde “Eingänge” zu diesen Firewalls mit einem Schloss versehen. Auch dies ein gewachsener Sicherheitsstandard, resultierend aus möglichen Problemen bei einer Fernwartung, die Menschen an einer Fließbandanlage in Gefahr bringen kann, ohne dass es gesehen wird.
Und nicht zuletzt zeigt sich die Arbeit autolingualer IT auch in der neuen Halle, die unmittelbar vor ihrer Einweihung steht: hier wird ein eigenes Rechenzentrum installiert, dass der Komplexität der neuen Sortieranlage gerecht wird. Die Größe – ungefähr die Maße eines begehbaren Kleiderschranks – unterstreicht auch die Wertigkeit, die das Thema auf der Agenda der Brauerei hat. Zur Komplexität gehört auch ein monitorbestückter Stapler in der benachbarten Verladehalle – es klingt leichter als es ist, WLAN auf so einem Fahrzeug zu installieren.
Monitorbestückter Stapler in der Rothaus Verladehalle
Denn wenn das möglichst ohne Unterlass produzierte Bier auch ohne Unterbrechung von Paletten auf Fahrzeuge verteilt werden soll, muss das WLAN in allen Ecken funktionieren – und, das erklärt Holger Wiedel en passant, auch mit einer besonderen Frequenz, die durch die Flüssigkeiten “hindurch” funktioniert. Keine ganz kleine Herausforderung, angesichts der Biermengen in Sprungturm-Höhe.
Draußen, auf dem Hof der Brauerei, schließt sich der Kreis: eine weitere Großanlage wird mit einem Kran vom Sattelschlepper geholt. Normalerweise ist so etwas ein Schlüsselmoment für autolinguale IT, vor allem dort, wo sie fehlt: Das Aufstellen der Gerätschaft mit der überraschenden Frage des Monteurs, wo er denn bitte mit seiner Anlage ins Netz gehen kann. Kietruschat, Wiedel und Bührer haben mit ihrer Arbeit solche Überraschungen eliminiert: Die Maschine hat nicht nur ihren festgelegten Platz in der Halle – auch der in der IT-Struktur steht bereits seit Monaten fest. Es wird alles gut sortiert bei Rothaus.